III Dokmentation und Datensätze

Staaten

Anhalt-Bernburg (1820-1862)

 

Staatsgebiet

Das Herzogtum Anhalt-Bernburg befindet sich in Mitteldeutschland. Es verteilt sich auf sieben Gebietsteile: Bernburg, Coswig und Ballenstedt sowie die vier Exklaven Hecklingen, Hohen-Erxleben, Mühlingen und Tilkerode. An den äußeren Grenzen liegen das Königreich Preußen und die Gebietsteile von Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen sowie im Westen das Herzogtum Braunschweig und das Königreich Hannover. Hauptstadt des souveränen Staates ist Bernburg, Sitz des Hofes Ballenstedt.Nach dem Tod des letzten Herzogs von Anhalt-Bernburg, Alexander Karl (1805-1863) am 19. August 1863, geht Anhalt-Bernburg an das Haus Dessau über und gehört fortan zum Herzogtum Anhalt.

 

Geographie/Topographie

Für das Herzogtum Anhalt-Bernburg wird 1815 eine Fläche von 16 Quadratmeilen angegeben. Der GIS-Wert beträgt 848km².Es wird in das gebirgige Oberherzogtum und das im Flachland gelegene Unterherzogtum unterteilt. Das Oberherzogtum umfasst die Gebiete am Unterharz: Ballenstedt und die Exklave Tilkerode. Es ist größtenteils bewaldet, die Ebenen am Fuße des Gebirges sind fruchtbares Land und Wiesen. Die Selke ist der einzige bedeutendere Fluss.Das Unterherzogtum ist weitaus größer, aber nicht zusammenhängend. Es besteht aus den Gebieten Bernburg mit den Exklaven Hohen-Erxleben und Hecklingen, der von Preußen umgebenen Exklave Mühlingen sowie dem Amt Coswig auf dem rechten Elbufer. Neben der Elbe durchziehen die Flüsse Saale, Bude, Wipper und Fuhne das Land. Der Boden, mit Ausnahme des sandigen Bodens um Coswig, ist sehr fruchtbar. Das Klima im Gebirgsteil ist rau, im flachen Teil ist es milder, doch "herrscht wegen der Gebirgsnähe fast immer starker Luftzug, der gegen ansteckende Krankheiten schützt, aber desto mehr gichtiche Beschwerden erzeugt" (F. Gottschalk).

 

Geschichte bis 1815/20

Die Linie Anhalt-Bernburg trägt den Namen der 1138 erstmals erwähnten und nach dem anhaltischen Geschlecht der Beringer benannten Bernburg an der unteren Saale. Die ältere Linie entstand 1252, ging aber 1468 an das Fürstentum Anhalt-Köthen. Die jüngere Linie entstand 1603. Sie erhielt die Ämter Ballenstedt, Hecklingen, Plötzkau, Hoym, Gernrode, Harzgerode und Bernburg. Hiervon spaltete sich 1630 die Linie Anhalt-Bernburg-Harzgerode ab, die aber nur bis 1709 bestand. 1707 bis 1812 existierte die eigenständige Linie Anhalt-Bernburg-Schaumburg (-Hoym). 1793 wurden aus dem Erbe von Anhalt-Zerbst die östlichen Ämter Coswig und Mühlingen erworben. Am 17. April 1806 erhob Kaiser Franz II. (1768-1835) das Fürstentum Anhalt-Bernburg zum Herzogtum. Am 18. April 1807 trat Anhalt-Bernburg dem Rheinbund bei. Als letzte Gebiete wurden 1809 die Deutschordenskommende Buro und 1812 das Amt Hoym hinzugefügt.

 

Staats- und Regierungsform, Herrscherhaus

Das Herzogtum Anhalt-Bernburg ist eine Monarchie. Die oberste Regierungsgewalt liegt 1820 beim Herzog: Fürst/Herzog Alexius (reg. 1796-1834) und dessen Sohn Herzog Alexander Karl (reg. 1834-1863). 1855 tritt Friederike von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (1811-1902) auch offiziell ihrem geisteskranken Gemahl als Mitregentin zur Seite. De jure gilt 1820 noch die altständische Ordnung des Landtagabschieds von 1625 mit einem gemeinsamen anhaltischen Landtag, doch werden die einzelnen Herzogtümer getrennt regiert. Am 14. Dezember 1848 wird eine relativ liberale Verfassung oktroyiert, die eine Ständeversammlung vorsieht. Gleichzeitig wird der 1832 eingerichtete "Geheime Konferenzrat" in ein der Ständeversammlung verantwortliches Ministerium umgewandelt. Die bürgerliche Mitbestimmung in den Städten wird erweitert und die Befugnisse von Staat und Kirche werden ebenso getrennt wie Justiz und Verwaltung. Leitende Staatsminister sind 1848-1850 Heinrich von Krosigk (1789-1850) und 1851-1863 der preußische Regierungsrat Max von Schätzell (1804-1879).Am 13. September 1863 wird das Staatsministerium in Bernburg aufgelöst, Regierungssitz ist von nun an Dessau.

 

Territoriale Aufteilung/Verwaltungsstruktur

Das Herzogtum Anhalt-Bernburg verfügt nicht über Mittelbehörden. An Unterbehörden bestehen seit 1815 neun Justizämter, und zwar in Bernburg, Plötzkau, Mühlingen, Coswig, Ballenstedt, Hoym, Gernrode, Harzgerode und Güntersberge sowie die Städte Bernburg und Ballenstedt.Am 1. Mai 1850 werden drei Kreisämter gebildet: Das Obere Herzogtum mit den Justizämtern Ballenstedt, Gernrode, Hoym, Harzgerode, Güntersberge und Bärenrode. Das Untere Herzogtum mit den Bezirken der Stadt- und Landgerichte Bernburg, den Bezirken der Gerichte in Hohen-Erxleben und Rathmannsdorf, den Bezirken der Gerichte Hecklingen und Gänsefurth sowie den Bezirken der Gerichte in Bullenstedt und Omarsleben. Das dritte Kreisamt beinhaltet das Justizamt Coswig und den Bezirk des Lattorfschen Gerichts zu Kliecken in Coswig.
Mit den anderen anhaltischen sowie mit den schwarzburgischen Staaten ist die Bernburger Justiz seit 1817 dem Zerbster Ober-Appellationsgericht unterstellt.

 

Bevölkerung

Nach der Bundesmatrikel von 1816 hat Anhalt-Bernburg 37.046 Einwohner. 1830 ist die Bevölkerungszahl um ca. 16% auf 43.305 Einwohner angestiegen, die sich gleichmäßig auf Stadt und Land verteilen. Im Jahre 1858, die Bevölkerungszahl ist im Vergleich zu 1818 um 66% gestiegen, leben von 56.031 Einwohnern 48% in den Städten und 52% auf dem Land.1857 werden für die Hauptstadt Bernburg 9.829 Einwohner angegeben. Die Bevölkerung Anhalt-Bernburgs gehört fast durchgehend der evangelischen Glaubensrichtung an. Nach der Zählung von 1852 gibt es zudem ca. 0,5% Katholiken und ca. 1,5% Juden.

 

Wirtschaft

Bodennutzung und Landwirtschaft

Während der fruchtbare Boden im Gebiet um Bernburg für den Zuckerrübenanbau geeignet ist, werden im Ballenstedter Gebiet vornehmlich Roggen und Kartoffeln angebaut. Im Allgemeinen herrscht beim Ackerbau noch das bekannte Dreifeldersystem. Der landwirtschaftliche Großbetrieb (Domänen) überwiegt vor allem im Bernburger Landesteil.Der Viehbestand liegt 1821 bei 3613 Pferden, 12.815 Rindern und 88.076 Schafen.

Bergbau

Die Bergwerke des Oberherzogtums liefern Silber, Blei, Schwefel, Vitriol, Glötte, Gips, Schiefer, Steinkohle, Bruch- und Sandstein. Eisenerz findet sich im Harz. Die Förderquote beläuft sich 1860 auf 293t und erreicht 1861 einen Höchstwert mit 1.012t.
Im Unterherzogtum wird Braunkohle gefördert. Die Fördermenge steigt von 92.539t im Jahre 1860 auf 149.008t im Jahre 1863 an.

Gewerbe und Industrie

Die industrielle Landschaft Anhalts besteht um 1800 außer dem Erzbergbau im Harz im Wesentlichen nur im innungsgebundenen Handwerk. Volle Gewerbefreiheit erhält das Land erst in den späten 1860er Jahren. 1822 existieren eine Papiermühle und eine Fayencefabrik in Bernburg sowie eine Pulvermühle im Selketal. 1835 wird in Groß-Mühlingen eine Zuckerfabrik gegründet und 1844 in Friedrichshöhe eine Glashütte. Der Maschinenbau setzt erst 1844 ein und konzentriert sich zunächst in Bernburg.In Ballenstedt wird 1822 Lagerbier gebraut, im Schackenthal Bitterbier. Branntweinbrennereien, von denen die erste in Anhalt 1724 in Bernburg angelegt wurde, sind in allen Städten und auf den meisten Gütern ein wichtiger Erwerbszweig. Die Roheisenproduktion hat ihren Höchstwert 1854 mit 1.140t und liegt 1862 bei 536t. Die Stahlproduktion pendelt sich im Zeitraum von 1850 bis 1863 bei um die 300t pro Jahr ein.

Handel

Der gesamte Handel beschränkt sich weitgehend auf die Ausfuhr der Landeserzeugnisse, für welche Dessau und Bernburg die Hauptmärkte sind.

Währung, Maße, Gewichte

In Anhalt-Bernburg rechnet man nach Reichstalern à 24 Gramm à 12 Pfennig im Wert des preußischen Courant. Am 19. Januar 1840 tritt das Herzogtum dem deutschen Münzverein bei. Es gelten die preußischen Maße und Gewichte. Durch ein Gesetz vom 19. November 1850 werden die preußische Scheidemünze und am 9. Dezember 1850 preußisches Maß und Gewicht auch offiziell für Bernburg festgelegt.

 

Verkehr

Eisenbahnen

Am 10. September 1846 wird die Bahnlinie Bernburg-Köthen eröffnet.

Wasserstraßen

Die Saale führt mitten durch Anhalt-Bernburger Gebiet und die Hauptstadt Bernburg. 1850 ist sie für Schiffe mit einer Tragfähigkeit von bis zu 99t schiffbar. Der Coswiger Landesteil Anhalt Bernburgs liegt an der Elbe, welche 1850 als Wasserstraße für Binnenschiffe der Tragfähigkeit von 600t bis 1.199t geeignet ist.

See- und Binnenhäfen

An der Elbe liegt der Binnenhafen Coswig.

 

Kultur und Bildung

Im Jahre 1829 besuchen 8.000 Kinder die Schule. Für die Bildung der Landschullehrer sorgt ein Seminar in Bernburg. Durch die Verordnung vom 11. Januar 1832 sind in jedem Schulort Ortsschulvorstände eingerichtet, das Schulgeld wird nun nicht mehr vom Lehrer, sondern von einem besonderen Einnehmer erhoben. Mit der Landesverfassung von 1848 wird die Schule eine rein staatliche Einrichtung und untersteht nicht mehr der Kirche.
Die Theater in Bernburg (eingeweiht 1827) und Ballenstedt (1788 eröffnet) besitzen zeitweilig einige Bedeutung. 1833 wird Wilhelm von Kügelgen (1802-1867) Hofmaler und 1853 auch Kammerherr in der Ballenstedter Residenz. Er ist der Sohn des bekannten Dresdner Malers Gerhard von Kügelgen (1772-1820).

 

Zugehörigkeit zu Staatengemeinschaften, Zollsystemen und Zollvereinen

Bei den Verhandlungen zur Gründung des Deutschen Bundes auf dem Wiener Kongress werden alle drei anhaltischen Herzogtümer von dem Regierungspräsidenten von Anhalt-Dessau, Wolff Carl August von Wolfframsdorf (1769-1831) vertreten. Seit 1815 ist das Herzogtum Mitglied des Deutschen Bundes und führt im Plenum der Bundesversammlung (Bundestag) eine eigene Stimme. Im "Engeren Rat" teilt es sich dagegen eine Stimme mit den Herzogtümern Anhalt-Dessau, Anhalt-Köthen, dem Großherzogtum Oldenburg sowie den Fürstentümern Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen. Mit dem am 10. Oktober 1823 unterzeichneten Vertrag zwischen Anhalt-Bernburg und Preußen wird die Exklave Mühlingen Teil des preußischen Zollsystems und das Oberherzogtum Teil der preußischen Steuergesetzgebung im Bereich Zoll- und Verbrauchssteuern. Am 25. Juli 1826 tritt Anhalt-Bernburg in Gänze dem preußischen Zollsystem und damit auch 1828 dem Preußisch-Hessischen Zollverein und 1834 dem Deutschen Zollverein bei.

 

Territoriale Entwicklung ab 1863/Kulturerbe

Gemeinsam mit Anhalt-Dessau-Köthen wird Anhalt-Bernburg 1863 zum Herzogtum Anhalt vereinigt. Heute erinnert der zum Bundesland Sachsen-Anhalt gehörende Landkreis Bernburg noch an das ehemalige Herzogtum. Mit 414km² umfasst er die Kerngebiete um die alte Hauptstadt Bernburg. Das Bernburger Schloss ist Museum und Ort für kulturelle Veranstaltungen. Das Ballenstedter Schloss wird heute als Hotel und - zu einem kleineren Teil - als Schlossmuseum genutzt. Das 1788 eröffnete Schlosstheater in Ballenstedt ist das älteste durchgehend genutzte Schauspielhaus Sachsen-Anhalts.

 

Verwendete Literatur