III Dokmentation und Datensätze

Staaten

Braunschweig (1820-1914)

 

Staatsgebiet

Das Herzogtum Braunschweig befindet sich in Nordwestdeutschland und besteht aus den drei getrennt voneinander liegenden Landesteilen Braunschweig, Holzminden und Blankenburg. Das Herzogtum grenzt im Westen an das Königreich Hannover und den Pyrmonter Landesteil des Fürstentums Waldeck, im Norden und Süden ist es von Hannover umgeben und im Osten grenzt es an die preußische Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt-Bernburg. Zu Braunschweig gehören fünf Exklaven: Calvörde liegt in der preußischen Provinz Sachsen, Thedinghausen, Ölsburg, Bodenburg und Ostharingen befinden sich in Hannover. Unter gemeinsamer Verwaltung von Braunschweig und Hannover steht die "Kommunion-Unterharz", die gemeinsame Rechte an Bergwerken und Hütten beinhaltet. Im braunschweigischen Staatsgebiet befinden sich die hannoversche Enklave Bodenwerder sowie angrenzend die preußischen Enklaven Hehlingen und Heßlingen.
Hauptstadt und Regierungssitz ist Braunschweig, einige Regierungseinrichtungen befinden sich in Wolfenbüttel. Residenz der Herzöge ist zunächst das Braunschweiger Schloss "Grauer Hof". Als dies 1830 abbrennt, residiert der Herzog bis zum Neubau des Braunschweiger Residenzschlosses 1837 in Schloss Richmond bei Braunschweig. Weitere Residenzen sind das Wolfenbütteler Schloss und das 1867 fertiggestellte Schloss Sibyllenort im schlesischen Fürstentum Oels.

 

Geographie/Topographie

Für das Herzogtum Braunschweig wird 1841 eine Fläche von 71 Quadratmeilen angegeben. Der GIS-Wert beträgt 3.730km².Der nördliche, Braunschweiger Hauptteil des Herzogtums ist weitgehend welliges Hügelland und geht in die norddeutsche Tiefebene über. Der südöstliche, Blankenburger Teil gehört zum Harzvorland und Harzgebirge. Die höchsten Erhebungen sind der südlich des Brocken gelegene Wurmberg mit einer Höhe von 968m und die Achtermannshöhe mit 926m. Der westliche, Holzmindener Landesteil zieht sich vom Weserbergland bis zum Harzvorland, die höchsten Erhebungen sind der Ith mit 390m und der Solling mit 474m Höhe.
Insgesamt sind etwa 40% des Herzogtums gebirgig, 40% Hügelland und 20% Flachland. Ein Drittel des Landes ist bewaldet.
Das Herzogtum Braunschweig gehört zum großen Teil dem Stromgebiet der Weser an, die das Herzogtum im Holzmindener Landesteil und in der Exklave Thedinghausen berührt. In die Weser münden Leine, Innerste, Oker, Fuse, Aller und Eyther. Die Ohre, Bode, Zorge und Wieda fließen der Elbe zu. Heilquellen finden sich in Seesen, Gandersheim, Harzburg und bei Helmstedt. Das Klima ist im nördlichen Landesteil mild, in den gebirgigen südlichen Teilen im Winter rau und kalt, im Herbst und Frühling feucht.

 

Geschichte bis 1815/20

Das Herzogtum Braunschweig war ein Teil jener welfischen Allodien, also Eigengüter, die Heinrich der Löwe (um 1129-1195) bei seinem Sturz 1181 behielt. Die namengebende Hauptstadt Braunschweig hatte Heinrich der Löwe um die Burg Dankwarderode herum zur Residenz ausgebaut und ihr Stadtrechte gewährt. Der von ihm 1173 bis 1195 errichtete Dom St. Blasii wurde seine Grablege. Kaiser Friedrich II. (1194-1250) vereinigte Braunschweig und Lüneburg 1235 zu einem Herzogtum und erhob es zum Reichsfürstentum. Durch die letzte welfische Teilung von 1635 fielen die Gebiete Wolfenbüttel und Blankenburg als sogenanntes Neues Haus Braunschweig Herzog August zu Wolfenbüttel (1579-1666) zu und bildeten die Grundlage des späteren Herzogtums Braunschweig. Aus der Lüneburger Linie des Hauses ging das spätere Königreich Hannover hervor. Herzog Augusts Nachfolger unterwarf 1671 die Stadt Braunschweig, welche als mächtige ehemalige Hansestadt nach Reichsunmittelbarkeit strebte. 1753 löste sie Wolfenbüttel als Residenz der Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel ab. 1672 wurden das Stift Walkenried und 1679 das altbremische Amt Thedinghausen hinzugewonnen.
Vor allem unter der Regierung Herzog Anton Ulrichs von Braunschweig-Lüneburg (1633-1714) gelangte das Herzogtum zu kultureller Blüte und setzte mit dem Bau des Schlosses Salzdahlum und dem Neubau der Bibliothek in Wolfenbüttel Maßstäbe. Nach dem Tod des letzten Herzogs der älteren Linie Braunschweig-Wolfenbüttel 1735 ging das Herzogtum an die Linie Braunschweig-Bevern über, die das Land bis 1884 regierte.
Im Jahre 1807 wurde das Herzogtum dem von Napoleon begründeten Königreich Westphalen zugeschlagen, aber 1813 im Zuge der Befreiungskriege wiederhergestellt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts setzt sich die Bezeichnung Herzogtum Braunschweig ohne den Zusatz Wolfenbüttel durch.

 

Staats- und Regierungsform, Herrscherhaus

Das Herzogtum Braunschweig ist eine Monarchie. Die Herzöge stammen aus dem ursprünglich fränkischen Haus der Welfen, dem auch das königliche Haus Hannover angehört. Auf den "Schwarzen Herzog" Friedrich Wilhelm (reg. 1813-1815), der im Kampf gegen Napoleon bei Quatrebras fällt, folgt dessen unmündiger Sohn Karl II. (reg. 1815/23-1830), für den Prinzregent Georg (1764-1830), seit 1820 als Georg IV. englischer König und König von Hannover, zunächst die Regentschaft übernimmt. Im Zuge der revolutionären Ereignisse 1830 wird Karl II. abgesetzt und muss außer Landes fliehen. An seine Stelle tritt am 28. September 1830 sein Bruder Wilhelm (reg. 1831-1884). Nachdem Karl II. vom Deutschen Bundestag für regierungsunfähig erklärt worden ist, übernimmt Wilhelm am 20. April 1831 auch offiziell die Regierung. Mit dem kinderlosen Tod Herzog Wilhelms erlischt die braunschweigische Linie der Welfen und die Herrschaft des Landes geht auf Betreiben Preußens nicht auf den 1866 aus Hannover vertriebenen, erbberechtigten Zweig der Familie über, sondern auf den preußischen Prinzen Albrecht (reg. 1885-1906) sowie den Mecklenburger Johann Albrecht (reg. 1907-1913). Durch die Heirat der Kaisertochter Viktoria Luise (1892-1980) mit Herzog Ernst August (reg. 1913-1918), dem Enkel des letzten Königs von Hannover, finden die preußisch-welfischen Diskrepanzen ein Ende, und Ernst August wird 1913 Herzog von Braunschweig.
Seit 1820 besteht in Braunschweig eine unter Hannoveraner Regentschaft erlassene landständische Verfassung, die so genannte Landschaftsordnung. Die Nichtanerkennung dieser Landschaftsordnung durch den seit 1823 mündigen Herzog Karl II. führt 1830 zu dessen Sturz und zur Niederbrennung des Braunschweiger Schlosses. Sein Bruder Wilhelm akzeptiert die Verfassung und erweitert die ständischen Mitspracherechte, so dass seit der "Neuen Landschaftsordnung" vom 12. Oktober 1832 von einer konstitutionellen Monarchie gesprochen werden kann. Dieses im Kern bis 1918 gültige Staatsgrundgesetz sieht ein Einkammersystem mit Zensuswahlrecht vor, garantiert einzelne Grundrechte wie Gewissens- und Glaubensfreiheit, Sicherheit der Person und des Eigentums sowie die Gleichheit vor dem Recht. Es besteht zwar Berufs-, Gewerbe- und Auswanderungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit sind hingegen nur unzureichend verbürgt. 1834 wird die Bauernbefreiung durchgeführt.

 

Territoriale Aufteilung/Verwaltungsstruktur

Das Herzogtum Braunschweig ist 1820 in die fünf Distrikte bzw. Oberhauptmannschaften Blankenburg, Harz, Schöningen, Weser und Wolfenbüttel unterteilt. Die Städte Braunschweig und Wolfenbüttel haben einen Sonderstatus, der auch durch die nachfolgenden Reformen der Verwaltungsstrukturen von 1825 und 1832 nicht aufgehoben wird. Ab 1825 werden Justiz und Verwaltung getrennt. Es bestehen nun sechs Distrikte bzw. Oberhauptmannschaften, die allein für die Verwaltung zuständig sind: Der Blankenburger Distrikt, der Harz-Distrikt, der Schöningensche Distrikt, der Weser-Distrikt, der Wolfenbütteler Distrikt und der Leine-Distrikt. Mit der "Neuen Landschaftsordnung" von 1832 werden mit Wirkung zum 1. Januar 1833 sechs Kreisdirektionen eingerichtet und zwar in Blankenburg, Braunschweig, Gandersheim, Helmstedt, Holzminden und Wolfenbüttel.
Gemeinsam mit den Fürstentümern Waldeck, Lippe-Detmold und Schaumburg-Lippe ist die Braunschweiger Justiz seit 1817 dem Ober-Appellationsgericht in Wolfenbüttel unterstellt.

 

Bevölkerung

Nach amtlicher Zählung von 1819 hat das Herzogtum Braunschweig 229.805 Einwohner. Bis 1852 nimmt die Bevölkerungszahl um 18% auf 271.208 zu. In der zweiten Jahrhunderthälfte ist das Bevölkerungswachstum weitaus größer, die Einwohnerzahl erhöht sich von 1852 bis 1910 um 82% auf 494.339. 1855 leben 31% der Einwohner in Städten, 1900 liegt der Anteil bei 46%. Im Jahre 1855 hat die Hauptstadt Braunschweig 38.397 Einwohner, im Jahre 1900 liegt die Einwohnerzahl mit 128.226 dreimal so hoch.
Die Bevölkerung des Herzogtums Braunschweig ist primär evangelisch-lutherischen Glaubens, 1862 liegt der Anteil bei 98,5%, 1900 noch bei 93%. Für 1862 werden zudem 1% Katholiken und 0,4% Juden angegeben. Im Jahr 1900 hat sich der Anteil der Katholiken auf 5% erhöht, der jüdische Bevölkerungsanteil liegt gleichbleibend bei 0,4%, zudem werden noch 1% Reformierte gezählt.

 

Wirtschaft

Bodennutzung und Landwirtschaft

Die Landwirtschaft stellt den größten Wirtschaftszweig des Landes dar. Die fruchtbarsten Böden befinden sich um Braunschweig, Wolfenbüttel und Helmstedt. Die bedeutendste Forstwirtschaft findet sich im Blankenburger Landesteil. Neben Getreide werden vor allem Kartoffeln, Flachs und sogenannter Kopfkohl zur Sauerkrautherstellung angebaut. In der zweiten Jahrhunderthälfte gewinnt der Zuckerrüben-, Spargel- und Obstanbau zunehmend an Bedeutung. Viehzucht wird vor allem in den unfruchtbareren Gegenden im Harz und im Amt Thedinghausen betrieben. Insgesamt beläuft sich der Viehbestand nach der Zählung vom 1. Dezember 1900 auf 33.379 Pferde, 123.633 Rinder, 137.504 Schafe, 181.450 Schweine, 54.071 Ziegen und 10.386 Bienenstöcke.

Bergbau

Das Herzogtum Braunschweig verfügt über beachtliche Bodenschätze. Braunkohle, Asphalt, Eisenerze und Bleierze finden sich im Harzgebiet, Steinsalze und Kalisalze an der Asse, dem Elm und dem Heeseberg. Bedeutende Steinbrüche liegen bei Velpke und Königslutter. Berühmt sind die großen Buntsandsteinbrüche des Solling im Kreis Holzminden und der Granit im Okertal. Vorzügliches Material für den Chausseebau und zu Pflasterungen liefern die Gabbrosteinbrüche im Radautal bei Harzburg und die Diabassteinbrüche bei Neuwerk. Braunkohle wird neben dem Harz seit 1795 vor allem südlich von Helmstedt abgebaut. Die Fördermenge beträgt 1850 noch 25.725t jährlich, steigert sich bis 1901 auf 1.436.314t und liegt 1914 bei 2.077.761t. Steinkohle wird im Vergleich zur Braunkohle nur in geringen Mengen abgebaut. 1854 liegt die Fördermenge bei 63t, der Höchstwert wird 1870 mit jährlich 1.457t erreicht. Steinkohlevorkommen finden sich unter anderem bei Helmstedt und Grasleben.
Eisenerzbergbau wird vornehmlich im Harz sowie im Leine- und Weserbergland betrieben. Die Fördermenge beläuft sich 1850 auf 12.019t im Jahr und erreicht mit 256.879t im Jahre 1913 einen Höchstwert. Gemeinsam mit Hannover betreibt Braunschweig bis 1874 die sogenannte Kommunion-Unterharz zwischen Langelsheim und Oker, die hauptsächlich Blei, Kupfer, Silber und etwas Gold gewinnt.

Gewerbe und Industrie

Der Industrialisierungsprozess vollzieht sich im Herzogtum Braunschweig erst in den 1860er Jahren, begünstigt noch durch die im Jahre 1869 eingeführte uneingeschränkte Gewerbefreiheit. Die neu aufkommenden Industriezweige entwickeln sich vornehmlich aus der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, so z.B. Zucker- und Konservenfabriken sowie der dafür notwendige Maschinenbau. 1899 gibt es bereits 42 Konservenfabriken und 1903 an die 30 Zuckerfabriken im gesamten Herzogtum. Eines der wenigen Unternehmen, das keinen Bezug zur Landwirtschaft aufweist ist die 1864 gegründete Firma Grimme und Natalis, später unter dem Namen "Brunsviga-Maschinenwerke" bekannt. Sie produziert zunächst Nähmaschinen und erreicht dann seit 1893 mit den "Brunsviga-Rechenmaschinen" weltweite Bekanntheit. Auch die Braunschweiger Pianoforte-Industrie erlangt insbesondere mit den Firmen "Grotrian-Steinweg" und "Zeitter & Winkelmann" Weltruf.
Die Roheisen- und Stahlproduktion wird durch die enormen Holzvorräte Braunschweigs begünstigt. Hütten zur Roheisen- und Stahlproduktion befinden sich in Altenbrak, Hüttenrode, Rübeland, Wieda und Zorge im Harz sowie im Leine- und Weserbergland, dort insbesondere die "Weserhütten" in Bornum, Delligsen und Holzminden. Die Roheisenproduktion liegt 1850 bei 4.110t und steigert sich bis 1901 auf 31.578t jährlich. Die Stahlproduktion hat 1850 eine Quote von 2.058t pro Jahr und erreicht ihren Höchstwert 1874 mit 11.161t.

Handel

Die Stadt Braunschweig ist eines der wichtigsten Handelszentren Nordwestdeutschlands. Weitere Handelsstädte des Herzogtums sind Wolfenbüttel, Helmstedt, Holzminden und Blankenburg. Die wichtigsten Ausfuhrartikel sind Asphalt, Kanalsteine, Kalk, Zement, Zichorie, Zucker, Bier, Konserven, Holz und Holzwaren, Klaviere, Maschinen für Zuckerfabriken und Mühlenindustrie, Nähmaschinen, Eisen u. Eisenwaren, Sollinger Sandsteine, chemische Fabrikate, Chlorkalium, Würste und Honigkuchen.

Währung, Maße, Gewichte

Als Währung gilt in Braunschweig der Reichstaler à 24 Groschen à 12 Pfennige. Längenmaß ist die Rute, Flächenmaß der Morgen, Handelsgewicht das Schiffspfund.

 

Verkehr

Kunststraßen/Chausseen

1848 gibt es in Braunschweig ca. 574km chaussierter Straßen. Zum Jahresende 1900 sind 2.795 km Kunststraßen, davon 743km Staatsstraßen, vorhanden.

Eisenbahnen

1838 ist mit der Verbindung Braunschweig-Wolfenbüttel die erste rein staatlich finanzierte Eisenbahnstrecke Deutschlands in Betrieb, die bis 1843 in ihrer projektierten Gesamtausdehnung bis Harzburg fertiggestellt ist. Durch vertragsmäßige Vereinbarungen mit Preußen und Hannover sind schon früh Anschlüsse nach Berlin (1841), Hannover (1844) und Hamburg (1847) gewährleistet. Bis 1868 wird das Braunschweiger Staatsbahnnetz auf 274km erweitert. 1870 erfolgt die Privatisierung der Eisenbahn als "Braunschweigische Eisenbahn-Gesellschaft". 1872 ist die Direktverbindung Braunschweig-Helmstedt fertiggestellt. 1884 geht die Eisenbahn des Herzogtums in preußischen Staatsbesitz über. Im Jahre 1900 hat das Braunschweiger Schienennetz eine Streckenlänge von 514km.

Wasserstraßen

Hinsichtlich der Schifffahrt spielt lediglich die im westlichen Landesteil, zum Großteil an der Landesgrenze verlaufende, Weser eine Rolle. 1850 ist die Weser im Braunschweiger Gebiet für Schiffe mit einer Tragfähigkeit bis zu 200t ausgerichtet. Bis 1874 ist sie für eine Tragfähigkeit bis zu 400t und bis 1903 für Schiffe mit einer Tragfähigkeit von bis zu 600t ausgebaut. Im Jahre 1848 finden auf der Weser 127 Fahrten unter braunschweigischer Flagge statt, bei denen rund 4.000t Güter befördert werden.

See- und Binnenhäfen

Der einzig bedeutende Binnenhafen ist der 1836/37 ausgebaute Hafen Holzminden an der Weser, wo sich auch eine Werft befindet.

 

Kultur und Bildung

Seit der Schließung der 1576 gegründeten Helmstedter Universität im Jahre 1809, nutzt das Herzogtum Braunschweig die Göttinger Universität des Königreichs Hannover als Landesuniversität mit. Aus dem 1745 in Braunschweig gegründeten "Collegium Carolinum", einer zwischen Schule und Universität vermittelnden naturwissenschaftlichen Einrichtung, geht 1862 das Polytechnikum und 1877 die Technische Hochschule hervor. Am Collegium Carolinum studiert der gebürtige Braunschweiger Carl Friedrich Gauss (1777-1855). Seine 1801 erschienenen "Disquisitiones Arithmeticae" bilden die Grundlage der heutigen algebraischen Zahlentheorie. Die Leitung und Beaufsichtigung der höheren Unterrichtsanstalten, insbesondere der Gymnasien, obliegt seit 1876 der staatlichen Oberschulkommission. Der weiterführenden Ausbildung dienen zwei Schullehrerseminare, zwei Lehrerinnenseminare, eine Baugewerkschule, eine landwirtschaftliche Schule, Fachschulen für Zuckerindustrie und eine Drogistenakademie. Die 1572 gegründete Herzogliche Landesbibliothek in Wolfenbüttel verfügt über eine große Sammlung wissenschaftlicher Literatur.
Bedeutende Staatstheater finden sich in Wolfenbüttel und Braunschweig, wo 1829 Goethes "Faust" uraufgeführt wird. Das herzogliche Museum in Braunschweig, hervorgegangen aus dem 1754 begründeten "Kunst- und Naturalienkabinett" Herzog Karls I. (1713-1780), beherbergt neben einer bedeutenden Gemälde- und Kunstsammlung des 16.-18. Jahrhunderts eine umfassende naturhistorische Sammlung. Der in Eschershausen bei Holzminden geborene Romanschriftsteller Wilhelm Raabe (1831-1910) zählt mit seinen Werken "Die Chronik der Sperlingsgasse" (1857) und "Der Hungerpastor" (1864) zu den bedeutendsten Vertretern des "poetischen Realismus". 1838 gründet der Braunschweiger Buchhändler Georg Westermann (1810-1879) den bis heute bestehenden Westermann-Verlag, der seit der zweiten Jahrhunderthälfte vor allem mit seinen Atlanten und Schulbüchern hohe Auflagen erreicht.

 

Zugehörigkeit zu Staatengemeinschaften, Zollsystemen und Zollvereinen

Bei den Verhandlungen zur Gründung des Deutschen Bundes auf dem Wiener Kongress wird das Herzogtum Braunschweig von dem geheimen Rat Wilhelm Justus Eberhard von Schmidt-Phiseldeck (1769-1851) vertreten. 1815 tritt Braunschweig dem Deutschen Bund bei. Im Plenum der Bundesversammlung (Bundestag) führt das Herzogtum zwei Stimmen und im "Engeren Rat" teilt es sich eine Stimme mit dem Herzogtum Nassau. Im Jahre 1828 tritt Braunschweig dem Mitteldeutschen Handelsverein bei. Im Mai 1834 schließen sich Hannover und Braunschweig zum sogenannten Steuerverein zusammen. Braunschweig tritt 1838 zunächst nur mit dem Fürstentum Blankenburg, dem Stiftsamt Walkenried und dem Amt Calvörde dem preußischen Zollsystem und damit auch dem 1834 gegründeten Deutschen Zollverein bei; 1842 wird das gesamte Herzogtum Mitglied des Deutschen Zollvereins. 1867 tritt Braunschweig dem Norddeutschen Bund bei und wird 1871 Bundesstaat des Deutschen Reichs. Im Bundesrat hat Braunschweig zwei Stimmen und entsendet drei Abgeordnete in den Reichstag.

 

Territoriale Entwicklung ab 1914/Kulturerbe

Der seit 1913 regierende Herzog Ernst August von Braunschweig und Lüneburg (1887-1953) wird am 8. November 1918 zur Abdankung gezwungen. Auf eine kurzlebige sozialistische Räterepublik folgt 1919 die Einführung der parlamentarischen Demokratie. Am 6. Januar 1922 wird die Verfassung des Freistaats Braunschweig verabschiedet. 1941 tauscht Braunschweig den Kreis Holzminden gegen den zuvor preußischen Stadt- und Landkreis Goslar ein.
Nach Kriegsende wird das in der Britischen Besatzungszone liegende Land Braunschweig zunächst wiederhergestellt, 1946 aber zusammen mit der preußischen Provinz Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe dem neugegründeten Land Niedersachsen als einer von acht Verwaltungsbezirken eingegliedert. Die Exklave Calvörde in der Altmark und der größere, östliche Teil des Kreises Blankenburg werden der Sowjetischen Besatzungszone und damit der 1949 gegründeten Deutschen Demokratischen Republik zugewiesen. Im Zuge der Verwaltungsreform von 1978 besteht bis zum 31. Dezember 2004 der Regierungsbezirk Braunschweig als einer von vier Regierungsbezirken des Bundeslandes Niedersachsen. Heute ist Braunschweig eine der acht kreisfreien Städte des Landes.
Das während des Zweiten Weltkrieges schwer beschädigte Braunschweiger Residenzschloss wird 1960 abgerissen. Die ehemalige Residenz Schloss Richmond wird heute für repräsentative Zwecke genutzt. Das Wolfenbütteler Schloss beherbergt neben dem Schlossmuseum die "Bundesakademie für kulturelle Bildung" und ein Gymnasium. Der braunschweigischen Landesgeschichte widmet sich das 1891 als "Vaterländisches Museum" im alten Zentrum der Stadt Braunschweig gegründete "Braunschweigische Landesmuseum". Direkt benachbart liegt das seit dem 18. Jahrhundert bestehende "Herzog Anton Ulrich Museum" mit der bedeutendsten Kunstsammlung des Landes Niedersachsen. Die Mittelaltersammlung des Museums befindet sich in der Burg Dankwarderode, die zusammen mit dem Dom St. Blasii und dem Löwendenkmal den einzig erhaltenen mittelalterlichen Stadtkern Braunschweigs bildet. Das 1166 in Bronze gegossene Original des Löwendenkmals ist in der Burg Dankwarderode ausgestellt. Mit dem 1983 für 32,5 Millionen DM ersteigerten Evangeliar Heinrichs des Löwen (um 1129-1195) erinnert auch die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel an den berühmten Ahnherrn des ehemaligen Herzogtums.

 

Verwendete Literatur