III Dokumentation und Datensätze

Multimedia-Texte

Regierungsbezirke

 

Rheinhessen (1820-1914)

 

Geschichte/Verwaltung/Geographie

Die Provinz Rheinhessen, die in etwa die Funktion eines Regierungsbezirks hat, bildet seit 1816 eine Mittelbehörde des Großherzogtums Hessen-Darmstadt, Regierungssitz ist Mainz. Im Norden grenzt sie an das Herzogtum Nassau, im Osten an das ebenfalls zu Hessen-Darmstadt gehörende Starkenburg, im Süden an den bayerischen Rheinkreis (Pfalz) und im Westen an den preußischen Regierungsbezirk Koblenz. Auf dem Wiener Kongress 1815 waren die rheinhessischen Gebiete Hessen-Darmstadt u.a. als Ausgleich für das an Preußen abgetretene Herzogtum Westphalen zugestanden worden. Von 1801 bis 1814 gehörte das Gebiet zu Frankreich; das Französische Recht in Form des Code Napoléon behält auch unter Hessen-Darmstädter Regierung seine Gültigkeit, wodurch sich die Justiz Rheinhessens von der der beiden anderen Hessen-Darmstädter Mittelbehörden Starkenburg und Oberhessen unterscheidet.

Entsprechend den französischen Verwaltungsstrukturen gliedert sich Rheinhessen zunächst in die elf Kantone Mainz, Nieder-Olm, Ober-Ingelheim, Bingen, Wollstein, Wörrstadt, Oppenheim, Bechtheim, Alzey, Pfeddersheim und Worms. 1835 wird die Verwaltungsstruktur an die der beiden anderen Hessen-Darmstädter Mittelbehörden Starkenburg und Oberhessen angepasst, und es werden die fünf Kreise Mainz, Bingen, Oppenheim, Alzey und Worms gebildet. Zwischen 1832 und 1860 übernehmen die Kreisräte wesentliche Aufgaben der Provinzialregierung. Von 1848 bis 1852 ersetzen zwei so genannte Regierungsbezirke - Mainz und Worms - die Kreise. Der Regierungsbezirk Worms wird 1850 eingerichtet, in den Jahren 1848 bis 1849 entspricht der Regierungsbezirk Mainz in seinem Umfang Rheinhessen.

Für Rheinhessen wird eine Fläche von 25 Quadratmeilen angegeben. Der GIS-Wert beträgt 1.328km² für das Jahr 1820. Das Gebiet ist durch das Pfälzer Gebirge und Ausläufer des Hardtgebirges hügelig. Im Norden und Osten bildet der Rhein die natürliche Grenze.

 

Bevölkerung/Wirtschaft/Verkehr

Im Jahr 1820 liegt die Einwohnerzahl von Rheinhessen bei 170.878. Bis 1850 nimmt sie um 32% auf 225.622 zu und liegt 1905 mit 396.424 Einwohnern mehr als doppelt so hoch wie 1820.

Rheinhessen ist die fruchtbarste Region des Großherzogtums Hessen-Darmstadt. Herausragend sind Kartoffel-, Gemüse-, Obst- und vor allem Weinbau. Hauptorte für weiße Weine sind Nierstein, Büdesheim, Bingen, Oppenheim, Worms, Dienheim und Laubenheim, für Rotweine Gundersheim, Ober- und Nieder-Ingelheim sowie Heidesheim. Zentren des Maschinenbaus sind Mainz, Gustavsburg und Worms. Von herausragender, auch internationaler Bedeutung ist die in Mainz und Worms angesiedelte Leder-, Möbel- und Silberwarenfabrikation. Handelsmetropole ist das am Rhein gelegene Mainz, wo bis zur napoleonischen Zeit ein Rheinstapel bestand.

Das Chausseenetz führt 1848 von Mainz ausgehend sternförmMainig nach Bingen, Alzey und Worms sowie in die nassauische Hauptstadt Wiesbaden und die Freie Stadt Frankfurt. Als erster Ort Rheinhessens hat seit 1840 das rechtsrheinisch liegende Kastel bei Mainz Bahnanschluss an Wiesbaden und Frankfurt. Ab 1853 besteht die Verbindung zwischen Mainz-Neutor und Worms, die weiter ins bayerische Ludwigshafen führt. 1858 gibt es eine Verbindung nach Darmstadt. 1859 sind Bingen und Mainz miteinander verbunden. 1862 wird die erste Eisenbahnbrücke über den Rhein fertiggestellt, so dass 1863 eine direkte Verbindung zwischen Mainz und Frankfurt besteht. 1867 ist die Verbindung Worms-Alzey, 1870 die zwischen Bingen-Alzey, und 1871 die zwischen Mainz-Alzey fertiggestellt. Erst zwischen 1902 und 1904 wird die Kaiserbrücke als Eisenbahnverbindung von Mainz ins gegenüberliegende preußische Wiesbaden errichtet. Schiffbare Wasserstraßen sind Main und Rhein. Binnenhäfen befinden sich in Mainz, wo Rhein und Main aufeinandertreffen sowie in Worms und Bingen.

 

Kultur/Territoriale Entwicklung ab 1914/Kulturerbe

Geistiges und kulturelles Zentrum Rheinhessens ist Mainz. Bereits 1803 wird unter napoleonischer Ägide eine Gemäldegalerie in Mainz eingerichtet, die den Grundstock des heutigen Landesmuseums bildet - einem der ältesten Museen Deutschlands. Zwischen 1829 und 1833 wird das Mainzer Stadttheater nach Plänen des Architekten Georg Moller (1784-1852) errichtet. Durch das nach außen hin dargestellte Halbrund des Zuschauerraums erlangt der Bau auch überregionale Bekanntheit. Das 1852 als Studiensammlung gegründete Römisch-germanische Zentralmuseum in Mainz ist im alten kurfürstlichen Residenzschloss untergebracht. Anlässlich des 500. Geburtstags Johannes Gutenbergs gründen Mainzer Bürger im Jahre 1900 das Gutenbergmuseum. Das Museum eröffnet ein Jahr später und präsentiert seitdem Exponate zur Geschichte des Buchdrucks, darunter eine der ersten Gutenbergbibeln.

Während der NS-Zeit wird Rheinhessen als Mittelbehörde am 1. April 1937 aufgelöst. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs befindet sich das linksrheinische Rheinhessen im Gegensatz zu den beiden anderen ehemaligen Hessen-Darmstädter Provinzen Starkenburg und Oberhessen nicht in der amerikanischen sondern in der französischen Besatzungszone. 1946 wird Rheinhessen Teil des neugebildeten Landes Rheinland-Pfalz. Mainz wird Hauptstadt des Landes, das 1949 ein Bundesland der Bundesrepublik Deutschland wird. Ab 1947 bildet Rheinhessen einen der fünf Regierungsbezirke von Rheinland Pfalz. 1968 wird der Regierungsbezirk Rheinhessen mit dem Regierungsbezirk Pfalz zum neuen Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz vereinigt, 2003 werden die Regierungsbezirke in Rheinland-Pfalz aufgelöst.

Der Name Rheinhessen hat sich bis heute für die Region um Mainz erhalten. Sie umfasst das größte Weinbaugebiet Deutschlands. Am 15. Mai 1946 nimmt die Ende des 18. Jahrhunderts aufgelöste Mainzer Universität unter dem Namen Johannes-Gutenberg-Universität wieder ihren Lehrbetrieb auf. Die "Alte Universität" in der Mainzer Innenstadt wird Sitz des 1950 gegründeten Instituts für Europäische Geschichte. Die Museumsgründungen des 19. Jahrhunderts bestehen fort.

 

Verwendete Literatur