III Dokumentation und Datensätze

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Regierungsbezirke

 

Regierungsbezirk Erfurt (1820-1914)

 

Geschichte/Verwaltung/Geographie

Der preußische Regierungsbezirk Erfurt wird am 22. April 1816 als Mittelbehörde der Provinz Sachsen gegründet, Regierungssitz ist Erfurt. Im Norden grenzt er an das Königreich Hannover und das Herzogtum Braunschweig und im Osten an die hannoversche Grafschaft Hohnstein, den ebenfalls zur Provinz Sachsen gehörenden Regierungsbezirk Merseburg sowie Gebietsteile und Exklaven Schwarzburg-Sondershausens und Sachsen-Gotha-Altenburgs. Im Süden liegen Gebietsteile und Exklaven Sachsen-Gotha-Altenburgs, Sachsen-Weimar-Eisenachs und Schwarzburg-Sondershausens und im Westen das Kurfürstentum Hessen-Kassel.

Zum Regierungsbezirk Erfurt gehören zahlreiche Exklaven: Der exklavierte Kreis Schleusingen ist von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Sachsen-Hildburghausen, Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Gotha-Altenburg und die zu Hessen-Kassel gehörende Exklave Schmalkalden umgeben. Der exklavierte Kreis Ziegenrück liegt zwischen Sachsen-Coburg-Saalfeld, Sachsen-Weimar-Eisenach, Reuß-Greiz, Reuß-Ebersdorf, Reuß-Lobenstein, Schwarzburg-Rudolstadt und Sachsen-Gotha-Altenburg. Die Exklave Wandersleben grenzt an Sachsen-Gotha-Altenburg und Schwarzburg-Rudolstadt. Die Exklave Benneckenstein liegt zwischen Braunschweig und Hannover. Die Exklave Blintendorf befindet sich zwischen Reuß-Gera und Reuß-Lobenstein und die Exklave Gefell zwischen Reuß-Ebersdorf und Reuß-Lobenstein. Die Exklave Sparnberg grenzt an Reuß-Ebersdorf, Bayern und Reuß-Lobenstein, die Exklave Blankenberg an Reuß-Ebersdorf und Bayern. Die Exklave Kamsdorf ist von Sachsen-Coburg-Saalfeld, der bayerischen Exklave Kaulsdorf sowie Schwarzburg-Rudolstadt umgeben.

1820 ist der Regierungsbezirk Erfurt in die Kreise Erfurt, Obereichsfelder Kreis (Heiligenstadt), Hohenstein, Langensalza, Mühlhausen, Hennebergscher Kreis (Schleusingen), Weißensee, Untereichsfelder Kreis (Worbis), Kreis Neustadt (Ziegenrück) und Erfurt untergliedert. An Stadtkreisen kommen neu hinzu 1872 Erfurt, 1882 Nordhausen und 1892 Mühlhausen. Erfurt ist Verwaltungssitz des Thüringischen Zoll- und Handelsvereins.

Für den Regierungsbezirk Erfurt wird 1821 eine Fläche von 62 Quadratmeilen angegeben. Der GIS-Wert beträgt 3.586km² für das Jahr 1820. Das Gebiet des Regierungsbezirks Erfurt ist im Norden weitgehend eben und etwas hügelig, im Nordwesten hingegen durch die Vorberge des Harzes, im Süden durch den Thüringer Wald sehr gebirgig. Die wichtigsten Flüsse sind Saale, Gera, Unstrut, Wipper, Helbe, Helme, Leine und Werra.

 

Bevölkerung/Wirtschaft/Verkehr

Im Jahr 1820 liegt die Einwohnerzahl des Regierungsbezirks Erfurt bei 250.931. Bis 1850 nimmt die Einwohnerzahl um 40% auf 350.459 zu und liegt 1905 bei fast einer halben Million Einwohner.

In der Landwirtschaft ist die fruchtbare Thüringer Terrasse nördlich von Erfurt herausragend, auch Gartenbau und Blumenzucht sind dort bedeutend. Eisenerz in Form von Magneteisenstein findet sich bei Schmiedefeld im Kreis Schleusingen. Die Eisenerzförderung steigert sich von 4.612t im Jahre 1850 auf einen Höchstwert von 134.031t im Jahre 1912. Ein bedeutendes Steinsalzbergwerk liegt in Ilversgehofen nordöstlich von Erfurt. Eisen- und Stahlproduktion sind eher unbedeutend, berühmt sind hingegen die Gewehrfabriken in Sömmerda, Suhl und Erfurt. Insbesondere Nikolaus Dreyse (1787-1867) aus Sömmerda revolutionierte mit der Entwicklung des Zündnadelgewehrs die Waffentechnik des 19. Jahrhunderts. In der zweiten Jahrhunderthälfte wird Erfurt durch die Ansiedlung verschiedener Maschinenbaubetriebe zum Industriestandort. Überregional bekannt ist der "Nordhäuser Korn", ein ursprünglich in Nordhausen aus dünner Getreidemaische durch zweimalige Destillation hergestellter Branntwein, der durch langes Lagern in Fässern einen milden Geschmack annimmt. Im Textilgewerbe sind Langensalza, Nordhausen und Mühlhausen die Hauptorte für Tuche, Woll- und Baumwollwaren. In der ersten Jahrhunderthälfte liegt der Schwerpunkt in der Baumwollweberei, 1849 sind 8.391 Webstühle in Betrieb. Leineweberei wird auf dem Land häufig im Nebenerwerb betrieben. Allein im Jahre 1828 sind 3.146 Webstühle im Einsatz.

Im Regierungsbezirk Erfurt gibt es keine schiffbaren Wasserstraßen. Eisenbahnanschluss erhält lediglich die Hauptstadt Erfurt im Jahre 1847. Die übrigen Landesteile folgen nach und nach ab 1867. Hauptverkehrsweg ist daher das etwas besser ausgebaute Straßennetz.

 

Kultur/Territoriale Entwicklung ab 1914/Kulturerbe

Geistiges und kulturelles Zentrum des Regierungsbezirks ist Erfurt, das 742 durch den Mainzer Erzbischof Bonifatius (672/673-754) als Bischofssitz gegründet wurde. An die 1392 gegründete und 1816 geschlossene Universität Erfurt erinnert noch die 1758 gestiftete Akademie der Wissenschaften sowie die nach ihrem Stifter benannte Boyneburgsche Bibliothek, die etwa 60.000 Bände und 1.000 Handschriften enthält. Neben dem Kunst- und Kunstgewerbeverein bestehen in Erfurt ein Verein für Geschichte und Altertumskunde sowie zwei Musikvereine. An öffentlichen Kulturstätten gibt es drei Theater und ein Museum. Vor der Kaufmannskirche wird 1889 ein Lutherdenkmal des Bildhauers Fritz Schaper (1841-1919) errichtet. Die Sockelreliefs stellen Szenen aus Luthers Leben in Erfurt dar. Von 1501 bis 1505 hatte der Reformator an der Universität Erfurt studiert, sich nach einem Erweckungserlebnis in ein Erfurter Augustinerkloster zurückgezogen und dort 1507 die Priesterweihe erhalten. Von 1868 bis 1875 erfolgt der Neubau des Rathauses im gotischen Stil. Der Festsaal ist mit sechs großen, von dem Historienmaler Johann Peter Janssen (1844-1908) ausgeführten Freskogemälden mit Szenen aus der Geschichte Erfurts geschmückt.

Mit Auflösung der Provinz Sachsen 1944 wird das Gebiet des Regierungsbezirks Erfurt dem Reichstatthalter von Thüringen unterstellt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird das Gebiet des Regierungsbezirks Erfurt in das neugebildete Land Thüringen integriert und die Stadt Erfurt dessen Hauptstadt. Nach Auflösung des Landes Thüringen 1952 wird Erfurt Hauptstadt eines gleichnamigen Bezirks der Deutschen Demokratischen Republik. Mit dem Beitritt der Länder der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland entsteht das Land Thüringen mit der Hauptstadt Erfurt wieder neu, und bis zur Gebietsreform 1994 besteht erneut ein Bezirk Erfurt.

Zum 1. Januar 1994 wird die Erfurter Universität wieder gegründet. Mit dem Angermuseum, dem Museum für Thüringer Volkskunde aber auch dem Stadtmuseum und dem Gartenbaumuseum stellt sich Erfurt fest in die kulturelle Tradition Thüringens. Das Renaissanceschloss Bertholdsburg in Schleusingen, bis 1583 Sitz der Grafen von Henneberg, beherbergt heute eine umfangreiche naturhistorische Ausstellung.

 

Verwendete Literatur